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Interview (Musik)Blättern: Vorheriger Artikel | Nächster Artikel

Myk Jung

Es ist ein sonniger Montagnachmittag, Frühlingsanfang. In einer fast menschenleeren Bar im Essener Zentrum treffe ich Myk Jung, den meisten wohl eher bekannt als Sänger der Kult-Band The Fair Sex, um ihn zu seinem neuesten Projekt Zenith is decline, einem Balladen-Album, zu befragen. Die perfekte Athmosphäre also, und auch zu weitaus persönlicheren Themen antwortete Myk reflektiert und ausführlich, so daß ein, wie ich finde, sehr informatives und interessantes Interview entstanden ist.

Otti:
Du hast ja nun dein Album Zenith is decline fertiggestellt. Was hat dich nach deinen ganzen anderen Projekten dazu bewogen es mal mit einem Soloalbum zu versuchen?


"Was ich immer schon heikel fand, war das Spiel mit den rechten Elementen."

Myk:
Vorneweg muss ich sagen der Begriff "Soloalbum" ist für mich ein bißchen heikel. Das Ganze läuft unter dem Namen "Myk Jung", und ich habe auch diesen Plan gehabt ein Balladenalbum zu machen, aber ich nenne es ungerne ein Soloalbum. Wir haben auch schon Emails bekommen mit dem Inhalt "Ich wußte gar nicht daß der Myk so ein begnadeter Pianist ist", was aber nicht der Fall ist. Ein Großteil der Instrumente stammt eben nicht von mir. Ich habe mir versierte Musiker mit ins Studio genommen. Pianisten, amtliche Gitarristen die schön zupfen können. Ich habe zwar auch ein paar Gitarren gezupft, aber eher die more easy Parts, die ich mir noch zugetraut hab. Es gibt ja diese begnadeten Künstler, die diese ganzen hand-made Instrumente tatsächlich beherrschen, und das ist bei mir eben nicht der Fall. Ich habe die Songs alle geschrieben, ich habe sie auch im Studio auf der akustischen Gitarre eingespielt, aber von diesen Aufnahmen sind nur Fragmente stehen geblieben. Den Rest hab ich dann von anderen Musikern machen lassen. Ich habe die dann angesprochen: "Das Stück würde ich gerne mit dir machen.", "Dieses würde ich gerne mit dir machen." usw. Mit anderen Worten, ich habe die Fäden in der Hand gehalten, und das Album ist in vier verschiedenen Studios entstanden.
Die Idee traurige Balladen aufzunehmen habe ich schon lange. Akut wurde es dann so im Jahr 2004, da habe ich mir gedacht, es wird jetzt einfach Zeit, Du musst jetzt dieses Projekt wirklich angehen.
Otti:
Das heißt die Songs sind über einen längeren Zeitraum entstanden und erst zum Schluß zu einem Album zusammengefasst worden?
Myk:
Ja. Manche sind wirklich sehr alt. Zumindest die grundlegenden Ideen, bei manchen hab ich noch einen neuen C-Part geschrieben oder die Lyrics vollkommen verändert. Ich habe teilweise auf Ideen zurückgegriffen die steinalt sind, wobei die tatsächliche Auswahl vor allem aus Titeln besteht, die aus den späten 90ern bis 2004 stammen. Ein paar der ganz alten Sachen habe ich mir noch für spätere Balladen-Alben aufbewahrt.

Otti:
Das Grundthema des Albums ist "Vergänglichkeit". Wie stehst Du zu solchen Themen wie Vergänglichkeit oder Tod, wie verarbeitest Du sowas?
Myk:
Gerade der Tod ist natürlich ein Thema mit dem die Menschen zu kämpfen haben und sich beschäftigen. Natürlich ist es auch ein plakativ benutzter Begriff in der Dark Scene, weswegen er bei The Fair Sex-Stücken nicht so oft eine Rolle spielt. Der Tod selber ist auch weniger ein Thema auf Zenith is decline sondern es geht tatsächlich mehr um Vergänglichkeit in unserem Leben, die Vergänglichkeit des Augenblicks, die Vergänglichkeit des Moments.
Daß dies das Hauptthema ist, ist mir beim Lesen der Lyrics erst aufgefallen, als ich merkte, ich habe immer und immer wieder darüber geschrieben. Und ich denke das spiegelt auch einfach die Grundathmosphäre wieder die ich im jeweiligen Moment gefühlt habe. Wenn ich zur Akkustikgitarre greife, und auch versuche, ein trauriges Stück zu komponieren, dann ist das in einer Stimmung, in der ich darunter leide, wie die Zeit vergeht und man sie nicht festhalten kann. Und so ist es eben geschehen, daß ein Großteil der Lyrics sich, auf die eine oder andere Art und Weise, genau diesem Thema immer wieder nähern. Die Vergänglichkeit des Glücks eigentlich.

Otti:
Gibt es da Lieder die dir besonders am Herzen liegen, die in besonderen Momenten entstanden sind, wo Du irgendwas mit verbindest?
Myk:
Das betrifft vor allem natürlich die älteren Stücke. Songs die in 2003, 2004 entstanden sind, die habe ich schon mit dem Wissen gemacht ich werde bald dieses Balladenalbum machen, ich hab da noch z.B. eine Idee, an der ich mal weiter feilen muss. Das ist dann vielleicht ein etwas weniger spektakuläres Setting, in dem ein Stück entstehen kann. Aber gerade bei den älteren Sachen weiß man noch aus welchem Gefühl heraus sie entstanden sind. Zum Beispiel "Toys of Time", die Grundlage dieses Stücks reicht in meine Schulzeit zurück. Da habe ich noch die Visionen vor Augen von der ersten Version, wie ich sie damals kreiert habe. Es ist eher so ein aus einem Herzschmerz heraus geborenes Liebeslied. Toys of Time... dessen ursprüngliche Lyric-Thematik auch nicht die Vergänglichkeit war.

Otti:
Zwei Songs sind auch von deiner Tochter Allegra gesungen. Wie kam es dazu? Wie ich gelesen habe stammen auch die Grundideen von ihr.
Myk:
Genau. Und das ist auch der Grund warum ich sie ausgewählt habe diese Stücke zu singen. Sie hat mich in ihrer Melodieführung sehr beeindruckt, so daß ich diese Melodien gerne weiter verarbeiten wollte, in ein Arrangement setzen konnte. Und tatsächlich hat sie diese Gesangsbögen selber auch gesungen. Sie hatte eine Phase um 2003 herum, da war sie so zwischen 8 und 9 Jahre alt, wo sie unheimlich viele Ideen hatte und damit zu mir kam. Und dann sind wir in Windeseile zu diesem alten Kassettenrecorder gerannt, und haben darauf diese Ideen festgehalten. Ich konnte da aus einer beachtlichen Menge auswählen, und hätte auch zehn Stücke von Allegra machen können. Wobei ich nicht weiß ob die alle von der Melodie solch einen Standard gehabt hätten, aber zweifellos waren da sehr, sehr gute Ideen dabei. Und diese Beiden wollte ich eben unbedingt verwenden.

Otti:
Meinst Du daß Allegra irgendwann auch mal selbst Musik machen wird?
Myk:
Möglich, aber eigentlich bin ich jetzt schon in der Phase, in die Eltern geraten, oder vielleicht auch vom Leben geschubst werden, wo man sagt sie solle erstmal die Schule zuende machen. Fast schon ein Klischee... Nein es ist schon wahr daß man sich nicht zuviele Flausen in den Kopf setzen sollte.
Sie hat das sehr gut umgesetzt. Wobei es wahrscheinlich für sie auch ein Stück weit ernüchternd war im Studio zu arbeiten, denn natürlich dauert sowas. Man hat es eben nochmal aufgenommen, und nochmal, und jede zweite Strophe "Versuchs nochmal". Natürlich ist das kein One-Take, erst recht nicht wenn man 10 Jahre alt ist. Und es gehört auch Disziplin dazu, daß man sich zusammenreißt, sich auch vorbereitet auf die Songs. Es kam mir zumindest zwischenzeitlich so vor, als würd sie das ernüchtern, und daß sie merkt, daß das ganze nicht nur spaßig ist.
Da muß sie schauen und ihren eigenen Weg finden. Aber mit 10 Jahren würde ich ihr noch nicht raten solchen Visionen nachzugehen... Wobei, mit 13 habe ich auch schon meine erste Band gegründet und wollte unbedingt Rockstar werden. Aber das sind eben schöne Visionen, und da gibt es viele Jahre in denen das stagniert, nicht funktioniert, dann ist das mit Enttäuschungen verbunden. Da würde ich vorsichtig sein.
Ich arbeite auch, wenn ich mit der Allegra arbeite, auf diesen einen Song zu. Keine großen Flausen, ich sprech nicht mir über die Poster die an ihrer Wand hängen, sondern darüber: Wie können wir diesen Song machen. Sie ist auch des Englischen natürlich noch nicht so mächtig, ist im 5. Schuljahr jetzt mit Englisch erst angefangen, mußte also auf dem klangmalerischen Weg diese Songs einfach auswendig lernen. Diese Worte deren Sinn ich ihr noch immer erklären muß, sie versteht die Lyrics noch nicht.
Wobei ich aber auch sagen muß, ich habe die Lyrics, die ich dazu geschrieben hab, ganz eng daran angelegt, was sie als Englisch-Kauderwelsch benutzt hat. Ich hab versucht sehr nah an ihren klangmalerischen Gesang zu kommen, also hat sie auch die Lyrics in gewisser Weise mitgeschrieben und mitkreiert, indem sie diese Klänge entworfen hat die mich dann zu den grammatikalisch richtigen Sätzen geführt haben. Das ging auch sehr schnell, beide Balladen sind in anderthalb Stunden fertig gewesen. Meistens brauche ich viel länger für meine Texte.

Otti:
Wenn man das so wahrnimmt scheinst Du ja ein gutes Verhältnis zu deiner Tochter zu haben. Hast Du noch mehr Kinder?
Myk:
Nein, das ist mein einziges Kind. Sie lebt auch nicht die ganze Zeit bei mir, die Hälfte der Zeit lebt sie bei ihrer Mutter.
Otti:
Ihr seid also getrennt?
Myk:
Ja.
Otti:
Aber die Vaterrolle an sich gefällt dir?
Myk:
Ja! In manchen Phasen ist es natürlich einfacher, in anderen ein bißchen heikler, aber es hat mir sehr gut gefallen in den vielen Jahren.
Otti:
Und wie läßt sich das vereinbaren? Als Künstler und Musiker bist Du doch viel unterwegs.
Myk:
Naja, gerade im letzten Jahr, zum Balladen-Album, war ich zum Beispiel viel im Hauptstudio, welches in Aachen ist und nicht hier in Essen. Das hat natürlich lange gedauert, ich bin also über ein Jahr lang immer wieder dahin gefahren. Aber ich sehe natürlich dann auch vorher zu daß ich Zeitpläne abspreche und deutlich mache daß ich auch die Zeit für sie habe und man das einrichten kann.

Otti:
Kommen wir nochmal auf das Album zu sprechen. Hast Du vor das irgendwann mal live zu präsentieren?
Myk:
Natürlich gibt es da mehrere Visionen und Pläne. Erstmal hatte ich mir allerdings zum Ziel gesetzt, dieses Album erstmal fertig zu bekommen, und es war auch absolut nicht notwendig, direkt drei Wochen später auf der Bühne zu stehen, sondern durchaus erstmal ein paar Monate verziehen lassen.
Einfach zu überlegen, wie setzt man es genau um. An diesem Punkt bin ich jetzt, das Album ist nun fertig, und jetzt plane und überlege ich langsam wie man es zu einer passenden Jahreszeit, nämlich im Herbst, frühen Winter, live präsentieren könnte.
Da gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten, mit welchen der Musiker das gemacht werden soll zum Beispiel, und da muß ich mich einfach mal im Laufe der Monate hinsetzen. Manche sind ja auch zeitlich gebunden, auch in anderen musikalischen Projekten.

Otti:
Zu The Fair Sex will ich dich gar nicht großartig viel fragen, in diesem Interview gehts ja speziell um dich. Allgemein nur kurz, hast Du da irgendwelche Ankündigungen für uns?
Myk:
Klar, die Frage kommt nicht ganz unerwartet. Wobei ich tatsächlich sagen muß es steht noch nichts fest. Auch das ist etwas was ich bis jetzt, nach dem Balladen-Album, dreist verschoben habe. Jetzt gilt es mit den anderen zu überlegen was wir wie und wann vielleicht noch tun. Eigentlich wäre das schönste noch mal ein Album zu machen, und da müßen wir nun schauen unter welcher Konzeption. The Fair Sex hatte ja in den letzten Jahren auch wechselnde Musiker, wechselnde Live-Crews. Da muß ich nun schauen wo die Ressourcen und die Interessenlage am stärksten sind.

Otti:
Ich habe mich im Vorfeld des Interviews natürlich auch sehr über dich informiert und auch deine Homepage angeschaut, die ich regelrecht verschlungen hab. Du scheinst ein Partymensch zu sein und in Clubs wegzugehen, vom Stahlwerk war zum Beispiel die Rede. Wo kann man dich finden, was hörst Du privat für Musik?
Myk:
Partymensch würde ich nicht so sagen. Richtig ist, daß ich viele Jahre in der Szene unterwegs war, vom Zwischenfall, zu Essener Clubs wie der Zeche Carl, Zeche Bochum, Aratta, Stahlwerk, die Kaue in Gelsenkirchen... Vor allem natürlich Clubs die im Ruhrgebiet angesiedelt waren. Und natürlich wenn man mit der Band auf Tour war hat man gerne auch andere angesagte Läden mitgenommen.
Aber das passt natürlich auch in so eine Balladen-Konzeption, daß ich einfach gemerkt habe, in den letzten ein, zwei Jahren, daß ich da auch mal Abstand zu brauche. Wenn man zwanzig Jahre lang durch die Szene und die schwarzen Clubs lief hat man irgendwann auch die Schnauze mal voll. Natürlich, ab und zu bin ich mal hier und da noch, zum Beispiel auf der Gothic-/Industrial-Party in der Zeche Carl. Aber 2005 war ich gerade 3 mal dort, das ist schon recht wenig, früher war ich wesentlich öfter unterwegs.
Was ich privat höre ist natürlich klar. Ich glaube das ist ein typisches menschliches Feature, am meisten sagen mir die Stücke von "früher" zu, die ich schon damals geliebt habe. Ich bin wahrscheinlich auch so ein Oldschool-EBM, Oldschool-Goth Mensch. Vielleicht ist das auch ein beklagenswertes menschliches Feature, es gibt nämlich viel gute Musik, und trotzdem ist die Erregung, die man bei seinen Lieblingsstücken fühlt, wohl am größten bei solchen Stücken, die einen schon damals mitgerissen haben.
An Bands waren das natürlich die "Großen" Klassiker wie Nine Inch Nails, Skinny Puppy, Sisters of Mercy, Alien Sex Fiend...
Otti:
The Cure vielleicht?
Myk:
The Cure habe ich auch sehr gerne gemocht, ja. Das waren so Dinge, die mir am meisten gegeben haben. Wobei das eigentlich auch nicht richtig ist. Ich denke daß es auch viele aufregende Sachen gibt heutzutage, zu denen dann wohl die etwas Jüngeren schneller Kontakt finden.

Otti:
In einer Ausgabe deiner Kolumne bringst Du das Thema "Musik und die Künstler die dahinterstehen" an, und sagst ,daß man das eigentlich ja unabhängig voneinander sehen sollte. An sich ist das ja wünschenswert, andererseits gehören aber die Künstler auch zur Musik. Zum Beispiel dieses Interview, oder hätte man Bands wie die Sex Pistols, oder auch die Gothic Bands nur im Radio gehört, aber nie gesehen, dann wären sie sicher nie so populär geworden.
Myk:
Das ist natürlich ganz wichtig dafür, ob man sich mit denen besser oder nicht so gut identifizieren kann. Auf der anderen Seite ist es aber auch bedauerlich, weil man eben schon befangen ist. Und ich wollte nur mal ansprechen, daß man viele Arten von Musik direkt hinsichtlich der Fressen der Musiker beurteilt. So wird bestimmt der eine oder andere Front 242-Song, besser weggekommen sein, weil man eben wußte, das Stück ist von ihnen. Das ist nur ein Beispiel, ich will jetzt nichts gegen Front 242 sagen, die auch zu meinen großen Helden zählten. Umgedreht wird man aber auch manchen Song einfach ablehnen, weil man die Band nicht so gut findet, und den man unbedarft, und ohne die Info um wen es sich handelt, viel mehr in sich aufgesaugt hätte. Das ist die Kehrseite der Medaille die ich in dieser Kolumne aufwerfen wollte.

Otti:
Du schreibst auch viel. Zum Beispiel "Der Herr der Ohrringe", welches ich leider nur auszugsweise kenne bisher, aber sehr genial finde. Willst Du noch mehr Bücher schreiben? Gerade jetzt wo Du sagst daß Du ein wenig ruhiger wirst?
Myk:
Ja das würde ich gerne, auf jeden Fall! Ich würde gerne mal wieder enthusiastisch schreiben, ich bin da ja schon ein paar Monate nicht mehr zu gekommen. Es gibt auch noch ein paar Dinge, die liegen sozusagen noch in der Schublade. "Herr der Ohrringe" war auch nicht der erste Slapstick-Roman den ich geschrieben habe, andere liegen noch bei mir rum. Müsste man vielleicht auch mal wieder rauskramen und überarbeiten.
"Herr der Ohrringe" ist nur das erste Buch das ich veröffentlicht habe. Und da hab ich mittlerweile auch schon den zweiten Teil zu geschrieben. Ich hatte zwar eigentlich vor mich anderen Themen zuzuwenden, aber dieses hat mich noch nicht losgelassen, und so habe ich bis zum Herbst letzten Jahres an "Der Herr der Ohrringe 2" geschrieben. Vielleicht wird es im Laufe der Monate mal das Licht der Welt erblicken.
Otti:
Interessant dazu wäre natürlich auch, was für Literatur liest Du selbst? Ich würde ja fast vermuten Terry Pratchett, Douglas Adams sind dir ein Begriff, aber ich denke nicht nur die.
Myk:
Ich muss sogar sagen daß ich Douglas Adams und Terry Pratchett sehr, sehr wenig lese. Douglas Adams kenne ich schon ziemlich lange und habe damals auch die ersten Teile seiner klassischen Trilogie gelesen, aber habe auch schnell festgestellt, vor allem bei Terry Pratchett, als ich den in den frühen 90ern entdeckt hab: "Oh Gott, das ist ja eine Idee die ich in einer meiner Slapstick-Stories ganz ähnlich aufgefasst und so ähnlich beschrieben habe." Und ich hab dann Angst gehabt, daß alle meine Slapstick-Fantasy-Ideen dann in den Terry Pratchett Büchern wiederfinden würde, und hab dann gleich aufgehört diese zu lesen.
Otti:
Oder auch daß Du dich vielleicht zu sehr davon beeinflussen läßt?
Myk:
Vielleicht auch, die Gefahr besteht natürlich. Wenn ich jetzt noch mehr aus diesem Genre lese, wird vielleicht auch meine Schreibweise, wie auch die Ideen, zu sehr davon beeinflußt, so daß ich dann definitiv später sagen müßte, die habe ich abgekupfert. Solange ich die Autoren nicht kenne, kann ich mit ruhigem Gewissen sagen, wir hatten nur die gleichen Ideen. Und so habe ich diese Slapstick-Fantasy-Sachen kaum noch gelesen. Eher Fantasy selber.
Otti:
Klassisches Fantasy also.
Myk:
Vor allem immer Tolkien.

Otti:
Allgemein scheint dir Humor sehr wichtig zu sein. Von der schwarzen Szene sagt man ja oft, das sind diejenigen, die zum Lachen in den Keller gehen, die keinen Humor haben, die immer nur traurig sind. Wie wichtig ist für dich Humor?
Myk:
Bei The Fair Sex früher habe ich diese Frage immer gehasst. Ich wollte da nicht viel Spielraum für Humor, obwohl auch da immer wieder Passagen, auch Textpassagen, reingekommen sind, die das Ganze ein wenig ad adsurdum geführt und auch mit Slapstick-Elementen gespielt haben.
Ich weiß auch nicht ob man das so kategorisch sagen kann, die Szene brauche Humor. Es gibt unheimlich viele Leute die haben echt knalligen Humor, das habe ich im Laufe der vielen Jahre immer wieder gesehen. Das sind richtige Frohnaturen, davon sind die wenigsten zum Lachen in den Keller gegangen, aber hatten auch diese andere Seite, kehren dieses "Schwarz" auch nach außen. Da ist das dann oftmals nicht so ein platter Partytime-Humor, sondern schon so ein sarkastischer, abgewretchter Humor. Da gibt es schöne Beispiele.
Aber es ist eben kein Muß. Ich habe auch viele Menschen getroffen, die waren sehr beeindruckend, gerade weil sie gerade das nicht hatten, sondern sich das melancholische, wehmütige wirklich ausgewählt haben. Oder auch die aggression-dark Seite... Es ist echt kein Muß mit dem Humor.
Eigentlich ist es bei mir auch so, daß ich mir gar nicht vornehme humorvoll zu schreiben. Das gelingt mir nur nicht. Ich versuche Fantasy zu schreiben, und merke dann auf der dritten Seite, es hat wieder nicht geklappt, ich bin wieder auf der trashigen Fantasy-Schiene.
Da habe ich sicher auch zwei Seiten, bei den Balladen gibt es diese humorigen Slapstick-Aspekte nicht. Ich habe da auch schon drüber nachgedacht. Warum mache ich auf der einen Seite ein todtrauriges Balladen-Album, und auf der anderen Seite, wenn ich etwas schreibe, fließt da der Humor? Das ist wohl so, in der Musik lebt man seine düstere, melancholische Ader aus, und dann ist da eben beim Schreiben nicht mehr soviel Platz dafür.
Otti:
Das ist glaub ich auch einfach ein Teil der menschlichen Natur daß alles zwei Seiten hat. Liebe würde ohne Hass nicht bestehen können, Humor eben nicht ohne Melancholie, und wer nie geweint hat weiß nicht was es heißt wirklich zu lachen.
Myk:
Ja, das ist dann vielleicht auch mehr so ein Schutzschild, ein plattes Lachen. Aber wie gesagt, ich würd mir wünschen, was mir halt noch nie gelungen ist, einen interessanten, größeren Storyplot zu schreiben, der mal ohne Humor auskommt.

Otti:
Wir sind ja nun Teil einer Subkultur, und gerade da hört man oft in der Jugend, das sei nur eine Phase, das gehöre zur Rebellion dazu. Und wenn Du älter wirst legt sich das wieder. Hast Du das auch so erlebt?
Myk:
Natürlich! Gerade auch weil ich eben in den Anfangstagen dieser schwarzen Kultur direkt dazugestoßen bin. Als ich 83/84 in diese schwarze Szene rein kam war sie noch eine ganz neue Jugendbewegung, das gabs vorher, z.B. 79, noch nicht. Das war dann eher die Postpunk-Ära, da sahen die Leute anders aus, waren anders gestylt, hatten andere Inhalte. Und damals hätte bestimmt niemand gedacht, daß das etwas so langlebiges werden würde.
Das ist auch wirklich erstaunlich. Diese schwarze Szene, so sehr sie sich auch immer wieder geändert hat, andere Vorlieben, andere neue Richtungen in sich gebohren hat, manche habe ich begrüßt, manche weniger, aber daß sie sich auch von ihren Äußerlichkeiten, dem Schwarz und so weiter, so geblieben ist, immer wieder auf diese Elemente zurückgreift. Das hätte damals bestimmt niemand erwartet. Vielleicht hat man sich auch selbst ein wenig mit diesem Argument entschuldigt, das ist so eine Phase, die will ich einfach mal durchleben.
Otti:
Im Endeffekt war es dann aber dann schon eine Art von Persönlichkeitsfindung?
Myk:
Ich denke schon, doch. Ich kenne viele Leute, die ihr Suchen, ihre Persönlichkeit, eben in der schwarzen Szene wiedergefunden haben. Sowohl in den Inhalten, in der Musik, als auch in den Äußerlichkeiten. Und ich denke das kann einfach für manche zum Lebensstil, zum Lebensinhalt, für Immer werden. Und wie schon gesagt hat es ja anscheinend eine Attraktivität für nachfolgende Generations, sonst würden nicht auch 16-17-Jährige in die Zeche Carl rennen und dort wie ich damals einen Anfang finden.

Otti:
In der Vorbereitung zu diesem Interview ist mir ein Thema aufgefallen was dir wohl sehr am Herzen liegt, auch bei The Fair Sex. Das ist Politik, besonders sprichst Du dich gegen Rechtsextremismus aus. Siehst Du heutzutage noch eine große Gefahr von Rechts?
Myk:
Politische Inhalte würde ich schon sagen, zumindest tendenziell. Aber wir haben es nie groß aufs Banner geschrieben, wir waren nicht so wie eine Links-Punkband, wir waren nicht so engagiert politisch. Obwohl die Grundtendenz war auf jeden Fall die Linke. Und einen ganz großen Hass hat man auf jeden Fall auf die rechte Szene, die schon damals mit Äußerlichkeiten, mit Trüppchen die man traf, vorhanden war. Das war eine große Abneigung, ein großer Hass den man auf diese Menschen projezierte. Vielleicht ist es eine Gefahr für jemanden wie mich, der schon seit zwanzig Jahren dieses Phänomen zwar beobachtet, aber eigentlich nicht gespürt hat, daß das immer größer oder lebensbedrohlicher wurde. Da hatte man schon Angstvisionen in den 80er Jahren. Das ist betrüblicherweise immernoch ein Randphänomen was existiert, die rechte Szene. Ich habe das Gefühl sie hat sich nicht so weit durchgesetzt, daß sie irgendwann noch einmal richtig bedrohlich werden kann. Das kann aber ein Trugschluß von mir sein. Ich habe schon damals 85 die Skinheads getroffen, und es gibt sie immernoch, aber man hat wirklich damals Visionen gehabt daß es zu großen revolutionary Straßenkämpfen kommen wird, und daß die Endzeit sich nähert. Dem ist bislang nicht so. Allerdings kann das bei Menschen wie mir zu einer Art Verniedlichung führen: "Man weiß ja nie was passiert...". Da ist natürlich einiges passiert, aber man hat vielleicht oft den Eindruck gehabt, das wird sich nie endgültig ausweiten. Da muß man aber vorsichtig sein! Das habe ich zum Beispiel bei mir festgestellt, daß ich mir sagen muß: "Stop, Du darfst das nicht so herunterspielen." Die Tendenz ist ja immernoch da, und ich finde es unglaublich, daß junge Menschen da auch noch immer drauf abfahren... Diesen menschlichen Müll!
Otti:
Naja, gerade die Skinheads sind natürlich wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt, unpolitisch. Die wahren Nazis erkennt man heutzutage ja nicht mehr. Was auch dazu geführt hat daß in unserer Szene, der schwarzen Szene, sich sehr viele rechte Tendenzen festsetzen konnten und in den letzten Jahren aufgekommen sind. Hast Du das auch so wahrgenommen?
Myk:
Was ich immer schon heikel fand, war das Spiel mit den rechten Elementen. Ich fand das schon sehr früh heikel, und ich wußte auch nicht warum man sowas machen muß. Das habe ich auch schon in den 80er nicht verstanden, warum es solche Phänomene wie Laibach geben muß. Ich fand sie gar nicht schlecht. Und man hat ja auch über die Jahre gemerkt, sie sind nicht diejenigen, die man zuerst befürchtet hat, die sie sein könnten. Ich habe mich auch immer gefragt, warum muss auch unsere Szene mit diesen oberflächlichen Elementen, der Optik, dieser verwirrenden Optik, spielen.
Ich mochte auch von Anfang an Rammstein, und hab mir trotzdem gedacht, hier ist schon wieder, wie vor 10 Jahren, dieses Spiel, mit dem martialischen, diesem Deutschtum. Das ist etwas was ich nie kapiert habe.
Otti:
Oder zum Beispiel Feindflug, die sogar mit solchen Uniformen arbeiten...
Myk:
Ja, es gibt da auch heftigere Beispiele. Und es gibt Beispiele, wo es kein Trugschluss war. Wenn ich sowas dann herausbekomme, daß diese Bands die Grenze übertreten, und das wirklich so verwaschen halten, dann werde ich wütend. Ich weiß nicht, warum sowas auch nach so vielen Jahren immer wieder durchgezogen werden muss, und warum das auch heute noch Jünger findet, die sowas mittragen möchten. Ich hasse das.

Otti:
Kommen wir zu einem anderen Thema, welches dich aber auch sehr interessieren dürfte. Während ich dieses Interview vorbereitet habe lief im Fernsehen "Die Jury". Da geht es um einen Vater, der die Schänder und Mörder seiner Tochter umgebracht hat und deswegen vor Gericht steht.
Myk:
Gut, ich hab das nicht gesehen. Das ist ein Thema auf das ich noch empfindlicher als auf das Vorherige. Da kocht eine unglaublich kalte Todeswut in mir. Ein Unbeschreiblicher Hass, der dann auch bei mir wirklich alles lahmlegt, jegliche Form, menschlich damit umzugehen, jegliche Verständnisfähigkeit. Da kann ich nicht mehr zu sagen, das ist etwas was einen eiskalten Zorn in mir hervor ruft.
Otti:
Also kannst Du das nachvollziehen wenn ein Vater die Schänder und Mörder seiner Tochter umbringt?
Myk:
Das ist leider, obwohl ich ein liberalier Mensch sein möchte, und es auch in fast allen Gebieten meines Lebens, auch in den politischen Ansichten, bin, der erste Gedanke der mir durch den Kopf zuckt. Es gab auch schon in den 80ern das Beispiel mit Marianna Bachmaier, die in einem Prozess damals, im Gerichtssaal, den Mörder ihrer Tochter erschossen hat. Man muß da natürlich vorsichtig sein, man darf nicht ein Land schaffen, in dem "Rübe ab" zu einer Grundideologie wird. Aber das ist wohl ein Akt gewesen, den viele Menschen eher nachvollziehen konnten, als daß sie ihn grundlegend abgelehnt haben.

Otti:
Angenommen Du hättest keine Musik gemacht, und auch nie was geschrieben, was wäre dann aus dir geworden?
Myk:
Oh Gott, das ist ja schwierig. Ich habe schon ziemlich früh diese zwei Wege entwickelt, schon in der Jugend. Da muß ich auf die Pläne zurückgreifen, die ich mit Elf hatte. Dann wäre ich Archäologe geworden!


"Warum mache ich auf der einen Seite ein todtrauriges Balladen-Album, und auf der anderen Seite, wenn ich etwas schreibe, fließt da der Humor?"

Otti:
Ich hab gesehen du wirst am Ende eines Interviews oft nach deinen "Famous Last Words gefragt". Was meinst Du werden irgendwann deine tatsächlichen sein?
Myk:
Oh nein, was für eine finstere Vergänglichkeitsfrage! Ich hoffe es wird keiner dieser Sätze die angeblich an erster Stelle stehen, wie "Oh Gott, nein!" oder "Ach du Scheiße!", was dann durch plötzliches Ableben, z.B. einen Unfall, verursacht wird. Cooler wäre natürlich etwas, was nicht durch zu langes Leiden angekündigt würde, aber schon daß man drauf vorbereitet ist. "I did it all!", "I did it my way!" oder "It was a pleasure for me.", sowas, was aus Seelenfrieden, aus Peace of Mind geboren ist. Seelenfrieden gegen Ende zu haben, und den auch zu äußern, das wäre ein Ziel.

Art des Interviews: face2face
03/19/06 by Otti
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